Die neue Droge unserer Zeit:
Das Handy

Manche Menschen sind von Natur aus still. Bei manchen wirkt die persönliche Gegenwart seines Gesprächspartner eher hemmend. Da fehlen einem oft die richtigen Worte zu richtigen Zeit. Aber am Telefon wird so mancher Stumme zur waren Quasselstrippe. War das noch schön, als man sich von Angesicht zu Angesicht unterhalten konnte ohne Rücksicht nehmen zu müssen auf den Ladezustand seiner Telefonkarte oder seines Akkus. Aber wir haben uns heute immer mehr auseinandergelebt. Obwohl die Verbindung über den Satelliten in 36.000 km Entfernung geht, ist es uns aber so möglich, sich dem andern ganz nahe zu fühlen. Schöne neue Welt, nicht war?

 

Handy-Sucht ist gut gegen Lungenkrebs und Raucherbein

Britische Teens geben Taschengeld lieber für Telefongebühren aus! Viele Jugendliche gewöhnen sich einer neuen Studie zufolge wegen ihrer "Handy-Sucht" das Rauchen ab.
Wie das britische Fachmagazin "British Medical Journal" heute vorab aus seiner neuen Ausgabe berichtete, fanden Forscher der Universität von Manchester und eine landesweite Initiative gegen das Rauchen heraus, dass immer weniger Teenager in Großbritannien zur Zigarette und statt dessen zum Mobiltelefon griffen. Laut der Studie rauchten 1996 rund 30 Prozent aller 15-jährigen in Großbritannien mindestens einmal pro Woche. Im vergangenen Jahr hätten dagegen nur noch 23 Prozent der 15-jährigen gepafft. Im selben Zeitraum sei die Anzahl der Handy-Besitzer in dieser Altersgruppe von zehn auf 70 Prozent gestiegen.

Nach Angaben der Autoren der Studie ersetzt für die Jugendlichen das Handy die Kippe bei ihrem Versuch, wie Erwachsene wirken zu wollen. Auch die Werbung für Handys sei mit der für Zigaretten zu vergleichen, schrieben die Forscher. In beiden Fällen verspreche die Reklame Individualität, Image und die Ausbildung eines persönlichen Stils. Als weiteren Grund für die mögliche Verdrängung der Zigarette durch das Handy bei Jugendlichen nannten die Wissenschaftler das Taschengeld der
Jugendlichen. Diese könnten sich nicht Tabak und Telefongebühren zugleich leisten.

 

Umfrage

Erstaunliches antworten Jugendliche, wenn sie zu ihrem Umgang mit dem Handy befragt werden.
Vier Schüler der Kantonsschule Luzern befragten Jugendliche zum Thema Mobiltelefon. Sie haben über hundert Leute im Alter zwischen zwölf und achtzehn Jahren befragt und haben dabei erstaunliche Ergebnisse bekommen.

75 Prozent der Befragten Schüler sind im Besitze eines Handys. Bei der Feinanalyse fällt auf, dass deutlich mehr weibliche Personen ein Mobiltelefon besitzen, wobei das Alter keine Rolle spielt. Zudem fällt auf, dass die Besitzer das Handy mehr zum SMS schreiben und Bildmitteilungen verschicken gebrauchen als zum eigentlichen Telefonieren.

 

SMS ersetzt Telefonieren

Das Handy wird immer mehr als Nachrichtenversender in Form von SMS benutzt. Obwohl die Befragten meinen, diese Option sei kostengünstiger, sind die Ausgaben im Endeffekt deutlich höher. Der auf den ersten Blick naheliegende Grund ist: Per SMS kann man vergleichsweise nur kleine Infopakete verschicken, so dass es mehrere Mitteilungen braucht, um eine richtige Kommunikation aufzubauen.

 

Eltern zahlen, Junge profitieren

Die meist hohen Kosten, die beim Handygebrauch aufkommen, werden bei 60 Prozent der Jugendlichen von ihren Eltern bezahlt. Bei weiterer Untersuchung der Unterlagen haben wir bemerkt, dass das Alter keine Rolle spielt.
Sogar Achtzehnjährige profitieren von der Grosszügigkeit ihrer Eltern. Viel wird das Handy von den Eltern auch als «Sicherheit» gebraucht, um zu wissen, was ihre Kinder gerade machen.

 

Immer mehr, immer jünger

Der Handyboom wird wahrscheinlich weiter anhalten und das Alter der Besitzer weiter sinken.

 

Interview mit Rita Munder, Psychotherapeutin:
«Handysucht ist ein Ersatz für eine unmittelbare Begegnung»

Zu welchen psychischen Auswirkungen kann die Handysucht führen?
Rita Munder, Psychotherapeutin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene hat uns näher darüber informiert.

Besteht die Gefahr, dass man handysüchtig werden kann?

Rita Munder: Voraussetzung für eine Sucht ganz allgemein ist eine süchtige Fehlhaltung, die sich darin zeigt, dass der oder die Betroffene in eine Scheinwelt flüchten möchte. Durch das erhofft sich die Person ein erhöhtes Wohlgefühl und sie versucht unerträgliche Gefühle wie zum Beispiel Einsamkeit, Langeweile oder Angst vor persönlichen Begegnungen zu verdrängen.
Insofern kann man auch vom Handy psychisch abhängig werden.

Ab wann wird man handysüchtig und wie drückt sich die Sucht aus?

Munder: Die psychische Abhängigkeit besteht darin, dass man einem starken, überwältigenden Wunsch oder Zwang, das Suchtverhalten ausleben zu wollen, nicht widerstehen kann. Folglich hat man keine innere Handlungsfreiheit mehr und wird ab diesem Moment süchtig.

Welche Personen sind ihrer Meinung nach hauptsächlich von Handysucht betroffen?

Munder: Im Prinzip könnte jeder Mensch eine Handysucht entwickeln. Die Gefahr ist am grössten bei Persönlichkeiten, die eher Kontakt- und Beziehungsschwierigkeiten haben und dazu neigen schmerzlichen Realitätserfahrungen auszuweichen. Ich vermute, dass dies am meisten auf Jugendliche und junge Erwachsene zutrifft. In dieser Entwicklungsphase geschieht auch die Ablösung von den Eltern. Das ist ein Prozess, der natürlicherweise mit Unsicherheiten und Ängsten verbunden ist und das Suchtverhalten begünstigt.

Wie wirkt sich die Sucht auf die Psyche aus?

Munder: Die Handysucht ist ein Ersatz für eine unmittelbare persönliche Begegnung, denn diese macht oft Angst. Diese Angst kann man nicht anders bewältigen, als distanzierten Kontakt aufzunehmen. Eine solche Ersatzbefriedigung ist unter anderem der Kontakt mittels Handy. Letztendlich wird die Möglichkeit, gute, befriedigende, erfüllende Beziehungen zu leben gestört werden und das ist ein Stück weit selbstzerstörerisch.

Ist die Oberflächlichkeit des Handygebrauches ein Spiegel der Gesellschaft?

Munder: In gewissem Sinne ja, denn in unserer Gesellschaft herrscht ein enorm grosser Zeit- und Leistungsdruck. Jeder hat zu wenig Zeit und jeder will in dieser Zeit soviel wie möglich erledigen. Durch die kurzen Gespräche und SMS kann man gar keine tieferen Gespräche führen und das passt in diesem Sinne zu unserer schnelllebigen Gesellschaft.

Tina Gut, Fabienne Schurter, Stephanie Zingg, Laura Kolly

Kommentar

Tina Gut, Fabienne Schurter, Stephanie Zingg, Laura Kolly

Wieso boomt der Handyver-kauf? Der Handyboom ist einfach zu erklären: Es liegt am Gruppenzwang. Wenn man kein Handy besitzt und zu einer Gruppe gehören will, dann muss man sich eins zulegen. Dieses Szenario tritt meistens ein, wenn man kein Aussenseiter bleiben will. Besonders bei 12- bis 18-Jährigen ist der Gruppenzwang ein grosses Thema.
Die direkteste Kommunikation, das Reden, ist out. Heutzutage schreibt man nur noch SMS oder E-Mails. Doch anstatt dem Empfänger alles direkt mitzuteilen, schreibt man SMS, die nur wenig Information enthalten, dafür schickt man sehr viele SMS. Doch weil jedes SMS sehr viel Geld kostet, überschreiten die Kosten pro Monat nicht selten die 50 Euro-Grenze. Und wer bezahlt die Kosten: Die Eltern!

 

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